Der 1. Tag in
einer neuen Zeitrechnung Man wacht morgens mit einem nicht beschreibbaren
Gefühl. Zum Teil dachte man alles würde wie ein Traum wirken und auf der
anderen Seite wusste man ganz real, dass sich alles verändert hat. Keiner mehr der Morgens am Wochenende vor uns wach
ist und manchmal schon leise den Fernseher anmacht. Kein ansteckendes Lachen
und keine Grimassen mehr. Keine Nutellabrote mehr. Keine Diskussionen um das
Abendprogramm oder welcher Film zusammen geschaut werden soll. Kein Erinnern
an das Lernen von Vokabeln oder bevorstehende Klassenarbeiten. Und so könnte ich die Liste endlos fortführen……. Wir sind froh, dass unsere Freunde bei uns sind, wie
immer können wir auf sie zählen, auch in dieser so schwierigen und traurigen
Situation. Sie kannten Niclas seit seiner Geburt und habe auch viele schöne
Augenblicke mit ihm erlebt. Meine Freundin Chris hatte die Idee ein Kreuz an der
Unfallstelle aufzustellen. Woher nimmt man ein Kreuz ? Björn erinnerte mich
daran, dass wir ein Kreuz im Keller haben. Jeder wird sich wahrscheinlich
nun denken „ein Kreuz, warum ?“. Als meine Oma damals bei meiner Mutter
einzog, bekamen wir von meinen Onkel (er ist Schreiner) das Kreuz zur
Aufbewahrung. Er sagte damals zu uns: „Das ist das Kreuz was bei Opa auf dem
Grab stand, bevor der Grabstein gesetzt wurde. Ich habe es neu geschliffen,
so dass ihr es später für die Oma nehmen könnt.“ Ich fand dies damals sehr
makaber und hatte kein gutes Gefühl. Vielleicht hätte ich damals entschieden
Nein zu einer Aufbewahrung sagen sollen….. Tja, nun wurde das Kreuz letztendlich
zweckentfremdet. Björn brannte Niclas Namen und als Datum den 23.09.16 in
das Holz und dann machten wir uns auf den Weg zu Unfallstelle. Vorher hatten
wir noch einen Strauß Blumen geholt. An der Unfallstelle konnte man noch das
Blut von Niclas sehen, was zum Teil noch nicht komplett getrocknet war. Wir
stellten das Holz auf, hängten ein Bild von Niclas an das Kreuz und hängten
seine Lieblingskette daran. Noch heute überkommt mich an der Unfallstelle
ein beklemmendes Gefühl und die größte Trauer. Wenn der Unfall irgendwo
anders passiert wäre, dann wäre dies vielleicht anders. Aber nur wenige
Meter vom Haus entfernt und wenn man den Ort verlässt, dann fährt man
automatisch mit einem Blick in Richtung Kreuz vorbei. Einen Tag später hatte jemand einen großen
Steinquader an das Kreuz gelegt. In diesen Stein lassen wir ein Bild von
Niclas mit dem Unfalldatum einarbeiten und so soll dieser immer dort an der
Stelle liegen. Wir hoffen natürlich das das Kreuz auch stehen bleiben darf,
aber wird sind nicht sicher ob der Bauer dem das Feld gehört das akzeptieren
wird. Da das Wetter so schön war, saßen wir Nachmittags
draußen auf der Terrasse. Larissa und ich hörten unsere USA Musik,
unteranderem auch die Lieblingslieder von Niclas und wir schauten uns
gemeinsam Fotos an und auch das ein Kurzvideo von Niclas aus dem Urlaub.
Irgendwie wollte man diese Erinnerungen am Liebsten in das Gehirn
einbrennen, damit man nicht irgendwann eine Kleinigkeit vergisst. Unsere Freundin blieben das Wochenende bei uns, aber
am Montag rief natürlich auch die Arbeit wieder. Björn und Larissa blieben
Zuhause und danach würden ja für Larissa erstmal die Herbstferien anfangen.
In den ersten Tagen danach haben viele Leute Blumen am Kreuz niedergelegt
oder Kerzen aufgestellt. Wir haben uns sehr über diese Gesten gefreut und
sie haben uns wirklich gut getan. Die Tage danach waren nicht nur von Trauer geprägt,
sondern es mussten auch viele andere Dinge erledigt werden –
Benachrichtigungen an Schule, Versicherungen, Bestattungsunternehmen,
Kirche, etc.. Und auch der Kontakt zu einem guten Anwalt musste hergestellt
werden. Der Kontakt zur Polizei war in den ersten Tagen regelmäßig da und
wir können nur ein großes Dankeschön für die wunderbare Unterstützung und
Kommunikation aussprechen. Und auf der anderen Seite waren da bei mir
eine totale Appetitlosigkeit und dies über Tage hinweg. Mir kam es vor als
würde Essen überbewertet werden und noch im nach hinein bin ich erstaunt
darüber wie wenig Nahrung man eigentlich benötigt und dies auch über mehrere
Tage/Wochen hinweg. Jeden Tag bekamen wir eine Vielzahl von
Beileidskarten mit einer großen Anteilnahme und wunderbar lieben Worten.
Manchmal merkt man erst mit dem Tod, wie viele Leute man doch im Laufe der
Jahre kennengelernt hat. Und mit jedem Wort welches man liest werden Tränen
vergossen, auch heute zum Teil noch und auf der anderen Seite geben diese
Worte unendlich viel Kraft. Die Trauerfeier Endlich bekamen wir die Information, dass Niclas von
der Pathologie freigegeben wurde und wir konnten die Trauerfeier planen. Die Tage zuvor haben wir uns zusammen schon viele
Gedanken gemacht und es sind Ideen/Wünsche gereift. Ein Dank gilt hier auch
Familie Brendel und Ilse aus Nieder-Hilbersheim. Sie haben uns wunderbar
unterstützt und uns bei der Umsetzung unser Ideen sehr geholfen. Die Trauerfeier fand in der evangelischen Kirche
statt, da unsere Pfarrerin mit vielen Leute rechnete, die von Niclas
Abschied nehmen wollen. In der Allgemeinen Zeitung hatten wir eine
Traueranzeige veröffentlicht und dem Termin für die Trauerfeier bekannt
gegeben. Schön war auch, dass seine Schule und auch seine Klasse in der
Zeitung geschaltet haben. Auch sehr bewegend für uns. Wir haben einen weißen Sarg genommen und Familie
Brendel hat an dem Tag der Trauerfeier den Sarg rundherum mit blauen und
mintfarbenen Luftballons geschmückt. Um den Sarg herum waren Gestecke von
Freunden und Verwandten und Kerzen aufgestellt und auf dem weißen Sarg lag
ein wunderschönes Bouquet aus blauen Rosen. Und neben dem Sarg stand ein
Staffelei mit einem großen Foto von Niclas, welches im Centralpark in New
York während unseres letzten Sommerurlaubs entstanden ist, also nur wenige
Wochen vor dem Unfall. Vorne im Eingangsbereich der Kirche lagen zwei
Kondolenzbücher aus. Larissa hatte geplant zwei von Niclas Lieblingslieder
mit der Gitarre zu spielen und dazu zu singen. Und das dritte Lieblingslied
wurde vom Band abgespielt. Mit Pfarrerin Becker hatten wir vorher den Ablauf
zusammen geplant, da auch die Kindergottesdienstkinder, seine
Klassenkameraden und sein aktueller Konfirmandenjahrgang den
Trauergottesdienst mitgestalten wollten. Das Eingangsgebet wurde von Pfarrer
Münden gesprochen, der Niclas Religionslehrer war und auch Seelsorger am
Sebastian Münster Gymnasium in Ingelheim. Die Pfarrerin sollte Recht behalten, es kamen viele
Leute um von Niclas Abschied zu nehmen, etwas mehr als 250 Menschen. In der Schule haben Sie im Rahmen einer kleinen
Gedenkfeier, zu der wir eingeladen waren, einen Birnbaum gepflanzt und an
dem Baum ist ein Schild mit Niclas Namen befestigt. Eine wunderschöne Geste
und wir hoffen natürlich, dass aus der noch kleinen Pflanze mal ein großer,
wunderschöner Birnbaum wird. Larissa hat wunderschön gesungen und Gitarre gespielt und die Rede von Pfarrerin Becker war einfach wunderbar und hat so viele Dinge auf den Punkt getroffen und einen manchmal sogar zum Schmunzeln gebracht. Man merkte doch sehr, dass auch sie ihn über die Jahre hinweg kannte und auch ihre eigenen Erlebnisse mit Niclas hatte. Und wie sie, sehen wir ihn als einen Engel mit Schwert bei Gott im Himmel. Und auch sein Lieblingskirchenlied haben wir gespielt. Am Ende des Trauergottesdienstes haben wir uns
draußen vor der Kirche versammelt und haben mit den Konfirmanden weiße
Luftballons in den Himmel steigen lassen. Es war bewölkt und genau zu diesem
Zeitpunkt riss der Himmel etwas auf und die Sonnenstrahlen fanden ihren Weg
auf die Erde. Irgendwie wie ein Zeichen…. Vielleicht hat Niclas ja von oben zugeschaut, wenn
ja, dann bin ich sicher, dass es ihn gefreut hat, dass so viele Menschen mit
uns von ihm Abschied genommen haben. Wir trafen uns danach im kleinen Kreis noch im
Weingut Gres um ein bisschen miteinander zu reden. Unsere Freunde blieben noch am Wochenende bei uns und
machten sich am Sonntag dann auf den Heimweg. Die Tage danach gab es von dem einen oder anderen
noch liebe Grüße und die eine oder andere Karte fand noch den Weg zu uns. Die Wochen und Monate danach Die Wochen und Monate danach wurde es relativ still. Nur noch wenige Menschen erkundigten sich hier und da
mal bei uns wie es denn geht oder pflegten einfach normale Kommunikation mit
uns. Gerade Menschen die wir schon lange kennen, mit denen
wir gemeinsame Erlebnisse schon vor vielen Jahren hatten, ließen den Kontakt
zum Teil ganz abbrechen und meldeten sich nie (auch nicht zum Tod von
Niclas). Auf der anderen Seite scheinen neue
Freund-/Bekanntschaften zu entstehen. Wir sind froh, dass es ein paar Menschen gibt, die
ganz normal mit uns umgehen – sich normal mit uns unterhalten, mit uns
lachen und wenn es doch mal so ist, dann einfach vielleicht auch einfach mal
mit uns weinen oder einen in den Arm nehmen. Diese Normalität wird auch benötigt, denn man muss
und möchte ja in den Alltag zurückkehren. Es hilft nicht wirklich, wenn man voller Mitleid
angeschaut wird oder die Leute dann sich schnell wegdrehen und einem aus dem
Weg gehen als wenn man eine ansteckende Krankheit hätte. JA WIR HABEN ETWAS SCHLIMMES ERLEBT ! ABER ES KANN JEDEM PASSIEREN UND DAHER SOLLTEN ALLE
MENSCHEN DAMIT OFFEN UND NORMAL UMGEHEN ! Der Tod ist allgegenwärtig und es hilft nicht, wenn
man dieses Thema von sich schiebt und mit Scheuklappen durch das Leben geht,
denn eines Tages wird man mit dem Tod konfrontiert, in welcher Form auch
immer. Hinterbliebene können nicht
erahnen ob Menschen weiterhin an sie oder an den Verstorbenen denken. :)
Dafür gibt es keine spezielle entwickelten Antennen und man verfügt in der
Regel auch nicht über telepathische Fähigkeiten. :) Natürlich verändern sich
Dinge im Leben, wenn man so etwas erlebt hat.
Aber die kleinen Gesten im Leben und ein
normaler, netter Umgang hilft um auch weiterhin im Leben zu stehen und seine
Gedanken auf ein neues Ziel zu lenken……. Und so sind es
auch die kleinen Gesten über die wir uns gefreut haben/freuen: Eine nette Nachricht über Whats App, den Messenger
oder E-mail; wunderbare leckere Plätzchen mit kleiner Karte an Heiligabend
vor der Haustür; eine Einladung zu einer kleinen Feier am Weihnachtstag oder
zum Kaffee; eine Einladung zu einem kleinen Spaziergang,; ein Brief mit
einer schönen Geschichte aus einem Adventskalender, die zu uns passte; eine
schöne Karte von seinen Klassenkameraden/-innen zu Niclas Geburtstag; am
Grab von Niclas ein netter Gruß mit Blumen von einem seiner guten Freunde am
Wochenende seines Geburtstages; Warum ich das
alles schreibe ? In den letzten Wochen und Monaten, begegneten mir
immer wieder die Aussagen, dass die Menschen wohl nicht genau wissen, wie
sie mit Hinterbliebenen die so etwas erlebt haben umgehen sollen. Natürlich
reagiert nicht jeder Mensch gleich. Aber wir machen diese Erfahrungen nicht
zum ersten mal und ich weiß durch Erzählungen von anderen Betroffenen, dass
viele so denken wie wir. In dem man ganz normal mit uns umgeht, also „Hallo“
sagt, anstatt sich wegzudrehen und sich auch normal unterhält hilft man
einfach mehr, dass Hinterbliebene weiterhin im Leben stehen oder ins
alltägliche Leben zurückkommen können. Und wenn im Gespräch doch mal
die Tränen kommen, ob nun von den Hinterbliebenen oder von Dir, dann ist
dies nicht schlimm. Tränen gehören doch auch zum Leben dazu.
J Niclas ist ein Teil unseres Lebens und so wird es
auch immer bleiben. Und wenn man sich mit Leuten unterhält, dann wird immer
mal sein Name fallen. Dies muss aber dann nicht im Bezug auf den Unfall
sein, sondern meistens eher auf Erlebnisse die wir in den wunderbaren 13 ¾
Jahren gemacht haben, sei es nun in der Schule, Freizeit, Urlaub, etc.. |